Aus dem Toggenburg: Von Skisportler zu Skisportler Apell an Kitzbühel

Wo ist unsere Skigeschichte geblieben?

Christiana Sutter

Toggenburg: Was nützen die Exponate aus dem Skimuseum von Noldi Beck den Kitzbühelern. Es sind Erinnerungen an die Pionierzeiten der Toggenburger Skiasse, „und ein Teil unserer Geschichte“, sagt Roland Stump, Gastgeber und Besitzer des Hotels “Stump’s Alpenrose“ in Wildhaus. Er ist der Sohn von Niklaus Stump. Dieser war in den 1940er-Jahren einer der erfolgreichsten Schweizer Wintersportler. Er startete am Holmenkollen in Oslo und war 1948 Teilnehmer an den Olympischen Winterspielen in St.Moritz. „Es ist nicht nur, dass mein Vater und alle weiteren Skiasse des Obertoggenburgs Erfolge eingefahren haben“, sagt Roland Stump, „sie waren massgeblich am Aufschwung des Tourismus im Toggenburg beteiligt.“ Die Herren Stump, Forrer, Schlumpf, Steiner und wie sie allen hiessen, haben mit ihren Erfolgen aufs Toggenburg aufmerksam gemacht. Aber nicht nur. Einige dieser Wintersportler waren auch mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Aufschwung im Tal. Auch haben sie einen wesentlich Teil zur Entwicklung des Skisports und deren Ausrüstungen beigetragen. Was für Leihgaben es waren, die „Chläus“ Stump an Noldi Beck für das Ski-Museum auslieh, wissen Roland Stump und seine Mutter Josefine Stump nicht mehr so genau. „Ein Erinnerungsstück an ihn ist der Pullover der Olympischen Winterspiele in St.Moritz 1948.“ Dieses Erinnerungsstück und viele Pokale und Medaillen sind weg.

Peter Diener – Erstbesteiger des Dhaulagiri
Was haben die Kitzbüheler davon, wenn sie die Leihgaben der Toggenburger Sportler horten. Sie haben keinen Bezug dazu. Das ist nicht nur die Meinung von Roland Stump, sondern auch von Peter Diener aus Wildhaus. Der gebürtige Sachse ist zusammen mit Ernst Forrer aus Wildhaus Erstbesteiger des 8167 Meter hohen Dhaulagiri im Himalaja. Diesen bezwangen sie am 13. Mai 1960. „Wir Bergsteiger erhalten für unsere Erfolge keine Pokale“, erzählt der 88jährige Bergsteiger Diener mit Tränen in den Augen. „Unsere Trophäe für die Erstbesteigung des Dhaulagiris war unsere Ausrüstung.“ Diener und Forrer kannten Noldi. „Wenn ihm unsere Ausrüstung etwas nützt für die Ausstellung, leihen wir sie ihm gerne aus.“ Viel haben sie sich dabei nicht gedacht. „Man konnte ja nicht wissen, dass das Museum ein solches Ende nimmt.“ Es freut ihn, dass sich ein paar Frauen aus dem obersten Toggenburg engagieren und die Leihgaben, die explizit an Noldi Beck für das Liechtensteiner Museum ausgeliehen wurden, zurück ins Toggenburg holen wollen. „Noch mehr Freude hätte ich, wenn ein Skimuseum im Toggenburg entstehen würden.“
Eine dieser Frauen ist Liselotte Schlumpf aus Unterwasser. Seit 2015 ist sie eine bekennende Nostalski-Skifahrerin. Vor zwei Jahren feierte der Schweizer Wintersport sein 150-Jahr-Jubiläum. Zu diesem Jubiläum organisierte die Schneesportschule in Wildhaus ein Nostalgie-Skirennen. „Da habe ich mich mit dem Nostalgie-Ski-Virus infiziert.“ Ihr Vater war in den 1930er-Jahren einer dieser wilden Skiasse aus dem Obertoggenburg. Zu jener Zeit war Schlumpf der schnellste Schweizer Skirennfahrer und Pionier des Speedskiings. Aus dieser Zeit gibt es ein paar drei Meter lange Skis. „Diese hat mein Vater dem Museum von Noldi ausgeliehen.“ Ausser einem Fotoalbum sind Liselotte Schlumpf keine Erinnerungen ihres Vaters geblieben.
Liselotte Schlumpf war in den 1980er-Jahren Therapeutin bei den Skidamen des Schweizerischen Skiverbandes. 1987 war sie dabei, als die Schweizer Skiasse an den Skiweltmeisterschaften 1987 in Crans Montane grosse Erfolge feierten. Auch sie lieh Noldi ein Erinnerungsstück aus. „Den Mantel, den ich 1988 an den Olympischen Winterspielen in Calgary getragen habe.“

1962 – Abfahrtssieger auf der Streif
Ein weiterer erfolgreicher Schweizer Wintersportler, Anfangs der 1960er-Jahre, ist der Wildhauser Willi Forrer. 1962 hat er auf der Streiff in Kitzbühel die Abfahrt gewonnen. Sein Name ist auf der Ehrentafel eingraviert. Forrer ist jedes Jahr Ehrengast beim Hahnenkamm-Rennen. „Ich habe Noldi alles gegeben, damals als ich 1989 nach Kanada ausgewandert bin.“ Das sind über 400 Exponate. Medaillen, Diplome, Bekleidung und viele Ordner mit Fotos, Ranglisten und Zeitungsberichten, „alles weg.“ Dabei ist auch ein weisser Sturzhelm. „Diesen habe ich 1960 an den Olympischen Winterspielen in Squaw Valley getragen“, sagt Forrer. Der Toggenburger betont, dass für seine Exponate extra Glasschränke hergestellt wurden. „Man hat die Sachen einfach ins Skimuseum von Noldi gegeben.“ Dies einmal mehr die Aussage eines Betroffenen, der seine Erinnerungsstücke an frühere Zeiten vermisst. Wie auch die anderen Sportler unterstützt Willi Forrer die Suche nach den verlorenen Leihgaben.
Denkt Liselotte Schlumpf an all die Personen, die ein Erinnerungsstück ausgeliehen haben, wird sie nachdenklich. Alle haben aus Freundschaft zu Noldi Beck die Leihgaben für das Museum dem Initianden übergeben. Niemand hätte je damit gerechnet, dass Exponate verkauft werden, geschweige denn ins Ausland ausgeführt werden. Mit einem Aufruf in den Sozialen Medien „Zeugen gesucht – Wir benötigen Hilfe, die Erinnerungsstücke unserer Väter zu finden“, hat Liselotte Schlumpf zusammen mit ihren Kolleginnen auf das Verschwinden der Inhalte des Ski-Museums in Vaduz aufmerksam gemacht. Schon bald erreichten Lieselotte Schlumpf die ersten Anrufe und Mitteilungen. Viele „Ehemalige“ haben den Suchenden ihre Unterstützungen zugesichert. Diese Anteilnahme bestärkt Schlumpf und ihre drei Kolleginnen die Schätze der Ski-Väter zurück ins Toggenburg zu holen. Sie sind entschlossen nach Kitzbühel zu gehen und die Leihgaben suchen. „Wir wollen alles sehen und hoffen auf Unterstützung aus Kitzbühel“, sagt Liselotte Schlumpf. Das Ziel ist es, mit den Leihgaben, die Noldi Beck einst für sein Ski-Mueseum in Vaduz von den Toggenburger erhalten hat, ein Winter-, respektive ein Sportmuseum im Toggenburg zu errichten und so die Sportler des Toggenburgs zu ehren.