Die WKO oder die empirische Ineffizienz

Eine Betrachtung mit Zitaten von Cyril Northcote Parkinson WHG

Oft verlieren Institutionen ihre Legitimation und ihren eigentlichen Sinn, wenn die, ihnen zugewiesenen Aufgaben, nicht mehr der Leitlinie ihres eigentlichen Auftrags entsprechen. Warum geraten einst geachtete Institution mehr und mehr in eine Art degenerativen Zerfallsprozess? Und wann wird es Zeit, einzugreifen?

Der Zerfallsprozess von Systemen verläuft unmerklich über Jahrzehnte. Das zuvor sinnvolle und von Grundwerten inspirierte System erstarrt mehr und mehr im Formalen und wird allmählich zur leeren geistlosen Hülle, während die alten Tugenden zu reinen Sprechblasen verkommen.

Geradezu symbolhaft findet dies Ausdruck in den sporadisch aufkochenden Skandalen der Wirtschaftskammer nicht nur in Wien, sondern auch in Innsbruck .

Die eindrucksvolle, symbolträchtigen Mosaiken. der alten Fassade täuschen über das hinweg, was dahinter liegt: Ein unübersichtlicher, in seiner Konzeption verschwenderischer und verwirrender Neubau, ohne klar erkennbare Linien, der den Besucher ratlos lässt.

Dergestalt allein gelassen, mag der Besucher den Weg in die Präsidiumsetage suchen, mit der so eindrucksvollen Gemäldegalerie ehemaliger Generationen von Kammerpräsidenten, um dort nach Sinnstiftung zu suchen. Allerdings, immer vorausgesetzt, er findet diese Galerie im wirren Enterieur der Kammer-Neu.

Es ist, wie gesagt, die Symbolik in der Meinhardstraße, die wie eine Messlatte die Befindlichkeiten einst und jetzt, geradezu ernüchternd, verdeutlicht.

Der einstige Schutzbau für Handel Handwerk und Industrie kam seinerzeit mit einer grundsoliden Aussteuer daher, ausgestattet mit dem klaren Konzept einer ehrbaren Interessensgemeinschaft und dem festen Willen das umzusetzen, was ihr einst aufgetragen war. Dass ihr das damals gelungen ist und mehr, das beweist die ungebrochene Leistungsfähigkeit der traditionsreichen Tiroler Firmen, bzw. Betriebe, trotz WKO.

Warum also ist aus diesem einstigen Tragwerk der Tiroler Wirtschaft ein so in sich geschlossenener, schwer kontrollierbarer und intransparenter Apparat geworden, dessen sich die Politik fallweise gern bedient und dafür wohl als Gegenleistung, feudalistische und heutzutage höchst bedenkliche Privilegien und alte Zöpfe unangetastet lässt.

Ein ellenlanger Zopf ist der so undemokratische und im Europavergleich einmalige Zwangspflichtbeitrag für die Mitgliedschaft der Gewerbetreibenden und der Industrie in der Wirtschaftskammer. Eine Art Apanage, mit der diese Institution gesegnet ist und sich deshalb in politischer Frömmigkeit schwarzen Herzens entspannt zurücklehnen kann.  In zuversichtlicher Erwartung auch weiterhin die Segnung mit politischen Donationen. Spass beiseite. Es ist ein atemberaubender Skandal, dass die österreichische Wirtschaftskammer in Tirol und Restösterreich derart ungeniert einen millionenfachen „Tributzins“ kassieren darf.

Bürokratie ist die Vervielfältigung von Problemen durch Einstellung weiterer Mitarbeiter

506.145 Mitglieder habe die Kammer, war irgendwannmal in  der Kronenzeitung zu lesen,  als sie mit deutlich erkennbarem Bauchweh  die Wirtchaftskammer thematisierte. Eine maßgebliche Klientel stellen die, ziemlich  oft dem Regen und der Traufe überlassenen Einzelunternehmer, dar. Für sie setzt sich  die Kammer mit Getöse, Pauken und Trompeten ein (sagt sie auf  teurem Hochglanzpapier). Hört man sich allerdings bei den Betroffenen um, dann sprechen die „von wenig Konkretem, aber von vielen Worthülsen“.

Unterm Strich zahlt das Zwangsmitgliedervolk 543 Millionen Euro jährlich an „Kammerumlage“ (Quelle: Kronenzeitung).

Noch einmal langsam zum Mitschreiben: Das Zwangsbeitragssystem der Wirtschaftskammer aus der KuK merkantilen Mottenkiste, verpflichtet jeden Wirtschaftstreibenden in Österreich per Gesetz. Zahlt der nicht, dann kommt schlimmstenfalls der Mann mit einnehmendem Wesen und klebt dem Unternehmer, wenn er sich weigert, einen Kuckuck ans Zwangsversteigerbare. Hilft das immer noch nicht, darf der trotzige Unternemer seine Firma schließen.

Gemessen an den Prinzipien eines freien Rechtsstaates, könnte man das  ganze  System überspitzt als undemokratisches Begünstigungssystem werten. Nach der alten Weisheit „gut Futter macht fett“, so jedenfalls sehen das sehr viele kritische Spaßverderber, sei die Wirtschaftskammer ein aufgeblähter und darum ziemlich ineffizienter „Semistaatsapparat“ geworden. Übertrieben? Ganz aus der Luft gegriffen scheint das nicht zu sein, wenn man sich umhört.

Die Arbeitsintensität in der Wirtschaftskammer, so legen die Kritiker nach, sei, gemessen an den erforderlichen Leistungen, ausserordentlich zurückhaltend und sie produziere einen umständlichen Bürokratismus. Andererseits werde die Kammer von einem geradezu manischen Aktivismus angetrieben, der ein Zuviel an Nichts produziere. Da möchte man einbremsen und relativieren, es könnte doch dieser Aktivismus gewissermaßen der Ausdruck eines schlechten Gewissens sein. Die, wie auch immer, streng reduzierte Leistungsbereitschaft fördere zumindestens eine gewisss Eitelkeitskultur und das sei immerhin etwas. Früher habe man schliesslich Götterstatuen auch vergoldet, selbst, wenn sie innen hohl waren.

So wollen wir diese vom Staat so privilegierte Institution einfach nur bitten,  doch etwas handfesteres auf Ihren Internet Plattformen und in ihren Drucksachen zu liefern und das, auf manche Zeitgenossen so konfus wirkende Erscheinungsbild mit Tendenz zur Nabelschau, nur ein klein wenig modifizieren. Immerhin sehen doch viele Mitglieder und Funktionäre der Wirschaftskammer in dieser Art unverdienten Eigenbeleuchtung erklärtermaßen einen Missstand.

Die Effizienz eines Gremiums nimmt in dem Maße ab, in dem die Anzahl seiner Mitglieder wächst.

So mancher Interessensverteter und Fachgremialer klagt über Erstarrungs-symptome im kämmerlichen Verwaltungsapparat: So schmerzt wohl auch dem Präsidium in der Kammer, ab und an das Gebiss, wenn es sich dann und wann schier die Zähne ausbeißt an der Sperrigkeit der Verwaltung mit ihrem unipotenten Direktorat. Der ehemalige Sekundant dieser Unipotenz erhielt bekanntermaßen einen Abschiedsbrief für angeblich betriebene Intrigen. Jedenfalls irgendwas war da doch, oder? Wieder einmal.

Kompetenzgewirr, Mobbing und Intrigen sind gemeinhin ein deutliches Symptom für Malfunction ungemein aufgeblasenener und dabei ineffizienter Verwaltungsapparate, die sich dem Zeitgeist folgend, ähnlich dem Mond, kontinuierlich aus der alten und ehrbaren Bahn entfernen. Ab und an, begleitet von größeren und kleineren Peinlichkeiten und  Skandalen, die, wenn sie auch schädlich waren, immerhin einen gewissen Unterhaltungswert hatten.

Bilanzen sind wie ein Bikini: das Interessanteste zeigen sie nicht.

Rein  theoretisch  hätte die Wirtschaftskammer den Auftrag, die Interessen der Wirtschaftsbetriebe und Wirtschaftsprozesse unbeeinflusst von außen zu bündeln, um dann als schlagkräftige und effiziente Interessensvertretung eben diese Anforderungen gegenüber dem Staat durchzusetzen, unbeschadet der dabei entstehenden Reibungsflächen. Derartige Reibungsflächen behindern erfahrungsgemäß den Erfolg einer prosperierenden Wirtschaft. Eine Wirtschaft also, welche einerseits die finanzielle Sicherheit des Staates zu gewährleisten hat und andererseits gegen eine unnötige Belastung der Betriebe eintreten muss,  damit auch indirekt für das Wohl der arbeitenden Menschen. In Tirol gilt dies vor allem für den zweifach gerupften Tourismus. Zum einen gerupft seitens des Staates und zum anderen Seitens der EU.

Um zurückzukommen auf die Reibungsflächen, dieses Mal rein physikalisch: Wenn sich das schnell laufende Rad der Erfordernisse dauernd an einer, wie auch immer gearteten Bremse reibt bzw. aufreibt, dann wird es heiß und stinkt  zum Himmel. Da gibt es dann nur eine Option: Herunter von der Bremse .

Im Ernst: Auch in der globalen Welt, vor allem angesichts der Hochwertigkeit österreichischer Produkte an den internationalen Märkten, darf das Rad der Erfordernisse keinesfalls mit schleifender Bremse laufen. Also auch hier, weg mit der Bremse und das grundsätzlich überall dort, wo im System gebremst wird.

Die Bürokraten sind die Militaristen des Papierkriegs.

Zurück zum äusseren Erscheinungsbild der Wirtschaftskammer Tirol: Im Vergleich zur WK-Steiermark kann die Meinhardstraße den Grazern, was das öffentliche Erscheinungsbild betrifft, nicht im Ansatz das Wasser reichen. Bereits vor mehr als 7 Jahren hatte die WK-Steiermark beispielsweise in Sachen Web-TV Pionierarbeit geleistet und die erste Videoplattform im gesamten Kammerbereich in Betrieb genommen.

Anfang 2012 lag in Innsbruck ein vergleichbares Web-TV-Konzept vor, das bezüglich verschiedener Features, noch umfassender war, als das Grazer Projekt. Es landete im Papierkorb, in dem manch andere Initiative auch ihre letzte Ruhe fand. Ein Jahr darauf landete ein weiteres Konzept auf dem Entscheiderdesk der Kammerverwaltung mit Startoption Oktober 2014. Begleitet vom Segen des damaligen Präsidenten. Auch dieses Mal wurde das Konzept im Papierkorb der Direktion endgelagert. Seit dieser Zeit hat es die Kammer bis auf den heutigen Tag nicht geschafft, eine einigermaßen ansehnliche Plattform mit Alleinstellungsmerkmal auf die Beine zu stellen.  Genauso erging es der kammereigenen Zeitung. Etwas puritanisch aufgemacht, aber journalistisch kompetent. Inwischen ist daraus ein knallbuntes Nichts geworden unübersichtlich mit Werbung  zugepflastert und mit linientreuen Inhalten. Warum all das? Warum dieser von vielen Kammermitgliedern so sehr beklagter Mangel an Innovativität?

In jeder Organisation gibt es eine Person, die Bescheid weiß. Diese Person muß entdeckt und gefeuert werden, sonst kann die Organisation nicht funktionieren.

Eine Erkärung für die Arbeitsweise und die Effizienz einer Vewaltung liefert uns Cyril Northcote Parkinson,  britischer Historiker, Soziologe und Publizist. Er sammelte seine Erfahrungen zu dem Thema „Verwaltung“ nicht bei der Witschaftskammer Tirol, sondern bei der britischen Marine. Das Resultat dieses Erfahrungsprozesses mündete in die Parkinsonschen Gesetze, die Aufschluss geben, was geschieht, wenn einer Verwaltung der erforderliche Leistungsdruck fehlt.

Cyril Northcote Parkinson 1909 – 1993 (Bildquelle Wikipedia)

Unter anderem vertritt das Parkinsonsche Gesetz die These: „Arbeit lässt sich wie Gummi dehnen, um die Zeit auszufüllen, die für die Arbeit zur Verfügung steht.“ Parkinson hat weiterhin klar erkannt, dass die nach außen abzuliefernde Arbeit  nicht unbedingt in einer befriedigenden Relation zu der nach innen abgeleisteten Arbeit steht. Das bedeutet nichts anderes, als dass, obwohl innerhalb des Systems durchaus intensiv gearbeitet wird, dennoch nach außen davon  nichts zu erkennen ist. Parkinson führt weiter aus: Konkrete Erfolge entstehen nicht zwangsläufig durch internen Aktionismus.

Ein typisches Beispiel: Parkinsons Beobachtungen bei der britischen Marine: 1914 bis 1918 nahm die Zahl der Schiffseinheiten um 67% ab. Gleichzeitig nahm auch die Zahl aktiver Offiziere um 31% ab und bei den Mannschaftsdienstgraden um 67%. Auf der anderen Seite stieg zur gleichen Zeit die Zahl der „Marine-Beamten“ an den Werften um 40% und in der zentralen Marineverwaltung um 78% an. Ein weiteres Beispiel: Die britische Kolonialverwaltung erfuhr zwischen 1935 und 1957 eine Steigerung der Personalstärke von 327 auf 1.991 Beamte. Dies, obwohl sich in einem umgekehrt verlaufenden Prozess das Commonwealth verkleinerte und die Kolonien successive in die Unabhängigkeit entlassen wurden.

Es ist inzwischen längst zu einer empirischen Tatsache geworden, dass „Sitzungen, Besprechungen“ oder „Klausuren“ im Verwaltungsapparat durch Ineffizienz-Vokabeln wie „Brainstorming“ oder „Get- together“ oder „Jour fix“, veredelt werden. Selbst wenn deren Ergebnisse  in der Führungsetage ankommen, wird am Ende des Tages dennoch die Entscheidung ganz allein von der Chefetage getroffen und bei ihr lautet diese Entscheidung zumeist ganz anders. Der Chef beschliesst, so oder so, letztlich allein, denn er wird zusätzlich andere Kriterien, wie beispielsweise politische Opportunitäten, mit ins Kalkül einbeziehen müssen, die allerdings niemanden sonst etwas angehen.

Ein weiterer Reibungspunkt in der Verwaltung ist der Abteilungsleiter. Dazu sagt Parkinson: „Ein Abteilungsleiter wünscht die Zahl seiner Untergebenen durchaus zu vermehren, nicht aber die Zahl seiner Rivalen.“ Mit anderen Worten, ein Mitarbeiter sollte nie den Verdacht nähren, er sei in irgendeiner Angelegenheit kompetenter, als sein Vorgesetzter und sei es nur in Kleinigkeiten. Denn das kostet ihn über kurz oder lang mit Sicheheit den Job.

Ein Beispiel nur: Ein  Freelancer wollte gegenüber einem Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit professionell argumentiern. Seitdem wurde, sozusagen über Nacht, jeder falsch gesetzte Beistrich zum vergifteten Pfeil. Schließlich wurde der Freelancer geschasst und das untere Mittelmaß blieb als Sieger auf dem Plan.

Zuständige Sachbereichsleiter sind Leute, die immerhin dreimal überlegen, bevor sie nichts tun.

Was Machtkämpfe in Intrigen auf einer weit wichtigeren Ebene anrichten können, berichtete unlängst eine angesehene Tiroler Zeitung. Angesichts der auslaufenden Dienstzeit von Jürgen Bodenseer in seiner Eigenschaft als Präsident der Wirtschaftskammer Tirol, seit Jahren unangefochten im Amt, überkam den reichlich derben Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl, ÖVP, aus Gerlos, seines Zeichens Bewerber für die Nachfolge Bodenseer im Amt, einen befremdlichen Agressionsschub. Mit einer Art auflodernder Wut rückte der Wirschaftsbundobmann als ÖVP Politiker unerträglich nahe an die Institution „Wirtschaftskammer“ heran. Dabei versuchte er den überrumpelten amtierenden Präsidenten vorzeitig aus dem Amt zu drängen. Fern der üblichen Umgangskultur und überreichlich mit polternder Indolenz gesegnet oder verflucht, je nach Sichtweise, böllerte er gegen den, in seiner feinsinnigen Kultiviertheit, geradezu wehrlosen ÖVP-Parteifreund Jürgen Bodenseer, los.

Intrigen besitzen das Gift mit dem größten Streueffekt

Man sagt Hörl in der ÖVP einen politischen Killerinstink nach und liess ihn als eine Art VP-Terminator lange gewähren. An sich ist politische Unanständigkeit nicht unbedingt der Stil der Wertkonservativen. In der ÖVP gab es immer das ungeschriebene Gesetz: Nicht schlachten sondern schlichten. Der politisch abstoßende Umgang mit Kammerpräsiden Jürgen Bodenseer missfiel seinerzeit. ÖVP Obmann, Günther Platter, hatte auf Grund seiner Mentalität mit Sicherheit andere Vorstellungen von einem angemessenen Umgangsstil. Dies ist heute dem zurückhaltender gewordenen  Wirtschaftsbund Obmann, Franz Hörl, deutlich anzumerken.

Franz Hörl Wirtschaftsbundobmann

Dennoch, wie selbstverständlich wird die Wirtschaftskammer nach wie vor als politstrategische Plattform unter Gesinnungsfreunden gehandelt.  Es ist nicht einmal notwendig, die Form zu wahren oder fachliche Aspekte ins Feld zu führen. Nein, der ÖVP Wirtschaftsbund steuert die Wirtschaftskammer nach seinen Vorstellungen von hinten, denn dafür zahlt man ja schließlich auch die Zeche in Form von politisch geduldeter Pflichtmitgliedschaft.

Den problematischen inneren Zustand der Kammer mit eisernem Besen zu ordnen, das ist aufgrund der politischen Mehrheiten unmöglich. Dazu fehlt einfach eine selbst auferlegte politischen Trennschärfe.

Was den inneren Zustand der Kammer betrifft, so wird diese Selbstbelobigungs institution nur dann in den Griff zu bekommen sein, wenn endlich der höchst fragwürdige und umstrittene Pflichtbeitrag fällt. Erst dann wird sich die Verwaltung der Wirtschaftskammer einem Erfolgszwang unterwerfen müsen.

Vielleicht wird dieses Thema irgendwann in der EU auf Zulässigkeit abgeklopft