Deutsche reisen in Urlaub auf Kosten der Gesundheit von Tirols Bürgern. Das geht garnicht, sagt Landeshauptmann Platter und nimmt sich Deutschland zur Brust.
Sie haben jahrelang getrödelt, in Sachen Transitverkehr nach Italien, die Deutschen. Ist ihnen der Sinn zu handeln ganz und gar abhanden gekommen? Können sie über ihrer Perma-historischen Nabelschau und ihrer Gutmenschendiktatur nicht nachvollziehen, wie es einer Stadt, einem Dorf oder einem Bauernhof ergeht, wenn abertausende Fahrzeuge von Nord nach Süd und umgekehrt eine Giftglocke über die Brennerautobahn und Umgebung legen? Urlaubsreisende verlassen zudem auch noch die Autobahn bei Stau in Scharen. Sie suchen mittels Navi alternative Routen in beiden Richtungen entlang der Autobahn. Die Folge: weitere Staus und kriechende Kolonnen ersticken bei Ortsdurchfahrten einmal mehr das öffentliche Leben in den betroffenen Gemeinden.
Während Österreich und Italien den gewaltigen Bau des Brennerbasis-tunnels mit den notwendigen Zufahrten schulterte, freilich mit Hilfe der EU und auch eine meist unterirdisch verlaufende neue Brenner-Bahnstrecke für eine rollende Landstraße schuf, schaute Deutschland zu und tat wenig bis garnichts. Immer wieder redete LH Günther Platter Klartext, vergeblich. Jetzt riss dem Landeshauptmann von Tirol der Geduldsfaden und stellt in einer Pressemeldung unmissverständlich klar:
„Wir werden Deutschland an der Entlastung der Bevölkerung messen!“
Tirol hält an allen Maßnahmen wie Blockabfertigungen und Fahrverboten fest.
Deutschland und Österreich werden ein gemeinsames Modell für höhere Maut am Brenner-Korridor festlegen.
Neue permanente, intelligente und automatisierte Blockabfertigung bis München.
Verdoppelung der Kapazitäten auf der rollenden Landstraße.
Neue und ausgebaute Verlade-Terminals in Bayern.
Deutschland wird Bau BBT-Nordzulauf beschleunigen.
Im Vorfeld des Gesprächs zur Transit-Belastung am Brenner-Korridor hatte Tirols Landeshauptmann Günther Platter festgehalten, dass er nur nach Berlin reist, um über echte, kurzfristige Maßnahmen zur Entlastung der Tiroler und Bayrischen Bevölkerung zu sprechen.
Auch bei der Pressekonferenz mit Deutschlands Verkehrs-
minister Andreas Scheuer, Österreichs Verkehrsminister Andreas
Reichhardt und Bayerns Staatsminister Hans Reichhart blieb er hart:
„Wir weichen keinen Millimeter von unseren Notmaßnahmen ab. Egal,
ob das die LKW-Blockabfertigungen, die Nachtfahrverbote, Wochenend-
fahrverbote, Abfahrverbote, das Sektorale Fahrverbot oder das Euro
klassen-Fahrverbot betrifft“, erklärt der Landeshauptmann zu Beginn
der Pressekonferenz.
Für Platter haben Italien und Deutschland seit Jahrzehnten nur
Versprechungen gemacht. Tirol und Österreich waren die Einzigen,
die sich daran gehalten haben. Mit dem Ergebnis, dass der LKW-Transit
immer weiter angestiegen ist und die Belastungsgrenze für die
Bevölkerung in Tirol und Bayern endgültig erreicht und überschritten
wurde. „Tirol musste deshalb zur Selbsthilfe und Notmaßnahmen greifen – nach dem Prinzip: Mehr Verkehr bedeutet mehr Notmaßnahmen – nur weniger Verkehr kann weniger Maßnahmen bedeuten“, so der Landes- hauptmann.
10 Punkte zur kurzfristigen Entlastung der Bevölkerung
Im harten Dialog zwischen dem Büro von Landeshauptmann Günther Platter und dem Deutschen Verkehrsminister Andreas Scheuer sind in den letzten Tagen zehn Punkte zur kurzfristigen Entlastung der Bevölkerung am Brenner-Korridor vereinbart worden. „Meine Diagnose: Deutschland bewegt sich. Wir konnten uns auf Maß- nahmen einigen, die wir seit langem eingefordert haben“, urteilt Landeshauptmann Platter.
Im Kern der Einigung steht für den Landeshauptmann die langjährige Forderung Tirols nach einer höheren LKW-Maut am gesamten Brenner- Korridor: „Deutschland bekennt sich erstmals zu einem System, das es möglich machen wird, bei besonders belasteten Verkehrs-Räumen Aufschläge auf die LKW-Maut zu verrechnen. Hier werden Österreich und Deutschland mit einer gemeinsamen Position in das bereits ange- setzte Treffen mit der Europäischen Union Ende August gehen.
Die Europäische Kommission hat sich dazu schon bereit erklärt, ebenso Südtirol und Trentino – mit Deutschland ist jetzt der nächste Partner an Bord, um unser Ziel zu erreichen:
Den Korridor von München bis Verona teurer und damit unattraktiver zu machen. Eine seit langem gestellte Forderung Tirols, der sich Deutschland mit dem heutigem Tag anschließt.“
Bei den LKW-Blockabfertigungen wird Deutschland sich nun einer längst vorliegenden Idee Tirols (siehe Regierungsabkommen Tirol ÖVP-Grüne 2018) anschließen und gemeinsam mit Österreich eine intelligente, automatisierte Blockabfertigung bis München umsetzen: „Wir haben uns heute darauf verständigt,diesen Weg gemeinsam zu gehen.
Mit 1. Jänner 2020 wollen wir in enger technischer Kooperation bis
München eine intelligente und automatisierte Blockabfertigung
umsetzen. Sie soll die Auswirkungen in Bayern durch eine bessere
Steuerung im Freistaat reduzieren und in Tirol zu einem vergleichbaren Effekt wie die aktuelle Blockabfertigung führen.
Ich habe heute klargestellt, sagt Platter, dass Tirol bei den aktuellen Blockabfertigungen bleiben wird, bis das neue, permanente System so
funktioniert, dass sich die jetzige Blockabfertigung erübrigen wird. In der Praxis sollen beide Systeme so lange parallel arbeiten – einerseits die neue, automatisierte Blockabfertigung und andererseits die aktuelle Tiroler Blockabfertigung – solange, bis das neue System das aktuelle ersetzen kann“, so der Landeshauptmann.
Deutschland bekennt sich zudem dazu, sämtliche planungsrechtlichen
und gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um den
Ausbau des BBT-Nordzulaufs zu beschleunigen. „Deutschland ist massiv
in Verzug und es ist zu hoffen, dass endlich etwas vorwärts geht“,
kritisiert der Landeshauptmann.
Zahlreiche Verbesserungen bei der rollenden Landstraße
Mit einer mehr als Verdopplung der Kapazitäten bei der rollenden
Landstraße geht Österreich mit den Österreichischen Bundesbahnen in
deutliche Vorlage: Bis 1.04.2020 sollen die Kapazitäten auf 400.000 LKW
ro Jahr und bis 1. Jänner 2021 auf 450.000 LKW pro Jahr erhöht werden.
Deutschland hat sich im Gegenzug verpflichtet, die Verladeterminals
München-Riem und in Regensburg kapazitativ zu erweitern und in ihrer Anbindungseffizienz zu verbessern. Ein weiterer Terminalstandort für
die Rollende Landstraße und den kombinierten Verkehr soll in
Süddeutschland gefunden werden.
Vignettenflucht Kiefersfelden bis Kufstein Süd
Eine langjährige Forderung von Tirol und Bayern prüft wiederum das österreichische Verkehrsministerium: Gemäß Entschließung des Österreichischen Nationalrates vom 3. Juli wird das BMVIT bis 31. Oktober einen Bericht zum Umgang mit der Vignettenflucht im grenznahen Bereich, wie Kiefersfelden/Kufstein-Süd vorlegen. „Die Bayrische und Tiroler Seite stellte heute fest, dass das Ziel eine Mautbefreiung sein soll“, davon ist auch Landeshauptmann Platter überzeugt.
- Der Landeshauptmann richtet heute auch zwei Forderungen an die Europäische Kommission: „Einerseits muss die Kommission Maßnahmen setzen, um eine faire, ausgeglichene Verteilung des Transit-Verkehrs über alle Alpenübergänge zu erreichen. Andererseits muss die Kommission alles daran setzen, um ihre eigenen Ziele des EU-Weißbuches zu erreichen: Minus 30 Prozent Schwerverkehr auf der Straße bis 2030 und minus 50 Prozent bis 2050.“
- Platter warnt, Keine Euphorie – Deutschland an der Entlastung der Bevölkerung messen
Am Ende der Pressekonferenz hielt LH Platter fest: „Verzeihen Sie mir,
dass ich heute trotz dieser teilweise großen Bewegung von Deutschland und Bayern nicht in Euphorie ausbreche: Zu oft und zu lange schon wurden der Tiroler Bevölkerung Versprechungen gemacht.“ - Tirol wird laut Platter weiterhin an seinen Maßnahmen festhalten, bis
die heute in Aussicht gestellten Maßnahmen greifen und die transit
geplagte Bevölkerung entlastet wird. - „Wir alle werden an unseren Taten gemessen. Ich kann erst dann
sagen, dass ich mit dem heutigen Ergebnis zufrieden bin, wenn eine echte Entlastung für die Tiroler und Bayrische Bevölkerung spürbar ist“, so der Landeshauptmann.