
Bild Luis-Trenker-Archiv e.V. Kitzbühel
Heimat, Umwelt und Kultur sind wichtige Prägungsbegriffe für das Bilden von Bewusstsein. Dieser Schlüssel bildet das Fundament für Bindungen und Sinnhaftigkeit.
Menschen werden aus der Summe der Erinnerungen und Erfahrungen geprägt und bewerten ihr Lebensumfeld, bzw. ihre Lebensweise, anhand dieser Prägung und messen diese an tradierten Werten.
Prägung durch Heimat, Umwelt und Kultur verleiht dem Menschen Geborgenheit, Stabilität, Kraft und ein Wissen um tiefergehende Zusammenhänge. Als Nebeneffekt – sozusagen – entsteht aus dieser Lebenserfahrung eine kritische Distanz zur Flüchtigkeit und Unverbindlichkeit der modernen und globalen Konsumgesellschaft und der ihr zugrunde liegenden Manipulation und Ideologisierung. Es liegt im Wesen des von Heimat, Umwelt und Kultur geprägten Menschen, die Welt auf Sinnhaftigkeit abzuklopfen. Die Bewertungsskala dazu entsteht aus eben diesen vorgenannten Werten, an denen neue Eindrücke und Angebote immer wieder gemessen werden.
An sich ist diese Argumentation uralt: Herakles oder Herkules, dem berühmten griechischen Heros, gelang es, den eigentlich unbezwingbaren Riesen Antäus zu besiegen. Antäus schien unbesiegbar, weil sich seine gewaltige Kraft aus dem engen Kontakt zu seiner Mutter Gaia, der Erde speiste. Dadurch, dass Herakles den Riesen Antäus von der Erde hoch hob und so den Kontakt des Riesen zur Erde unterbrach, konnte er ihn besiegen, denn der hatte nun durch Herakles, von der „Mutter Erde“ getrennt, alle Kraft verloren.

Stellt man zwischen dieser altgriechischen Sage und unserer Lebensweise einen Analogieschluß her, dann kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass auch wir, wie der Riese Antäus, unsere Kraft verloren haben: Meterweise Beton zwischen uns und der Erde und unser materialistisches erdfernes Ego haben uns jeden Bezug zur „Mutter Erde“ genommen und die Kraft, die sie uns gegeben hat, ist einer selbstzerstörerischen Schwäche gewichen.
Ganz in diesem Sinne gestaltet sich die Zukunft unserer manipulierten und ideologisierten Gesellschaft geradezu trostlos. Der gnadenlose Materialismus und die vordergründigen Verlockungen der modernen Zivilgesellschaft mit ihren strategisch und technologisch raffinierten Mitteln haben die Bindungen an Heimat, Umwelt und Kultur nahezu irreparabel beschädigt. Das Resultat erfüllt mit Entsetzen. Die Umwelt ist hochgradig zerstört. Der Begriff der Heimat wird durch bösartigen Fanatismus und ideologische Wirrköpfe diffamiert und gleichsam, in einem Aufwasch, wird Kultur besudelt, vom Sockel gestürzt und damit wird der instrumentalisierte und zuvor destabilisierte Mensch zum willenlosen Nutzvieh, zum Irrläufer und zum Freiwild totaler Ausbeutung.

Grossräumige gewinnmaximierende Strategieen werden einer entwurzelten Masse durch imperative Stereotypen und Parolen eingehämmert. Einer, für differenzierte Argumente unzugänglich gewordenen Masse freilich. Jeglicher Bildung und Bindung beraubt, unwissend, blind, taub und geistig verwirrt.

„Der Aufmarsch der Gesichtslosen“ Autonome Szene Hamburg BildRBB
Geht so die Menschheit einer teuflisch dämonischen Zukunft entgegen, die alles, was der Apostel Johannes offenbarte und der Niederländer Hyronymus Bosch malte, in den Schatten stellt?

Bild: Venedig Dogenpalast
Ein geradezu empirisches Exempel statuiert der Schriftsteller und Filmemacher Luis Trenker durch sein Schaffen, das von Anfang bis zum Ende mit der Moderne hadert und sich vehement gegen die Zumutungen der Zivilisation wehrt. Sein Film, „Der verlorene Sohn“ (Universal Pictures 1932/33), zeichnet einen Menschen, der jung und stark der Enge seiner Heimat und deren Verpflichtung entflieht, um draußen in der Welt sein Glück zu suchen. Am Ende scheitert er, trotz Karriere, an der modernen Welt und ihren so verwirrenden Angeboten und kehrt dann, weiser geworden, in seine Heimat zurück. In dieser Heimat wird er in einer langen filmischen Sequenz von den guten Geistern der Natur, der Umwelt und der Heimat willkommen geheißen und findet wieder, geläutert, zu sich selbst.
In seinem Film „Der Kaiser von Kalifornien“ (1936 gedreht, mit finanzieller Unterstützung seiner jüdischen Freunde, Carl Laemmle und Paul Kohner), erhebt Trenker geradezu Anklage gegen das Establishment, die Feinde der Freiheit und die Zerstörer von Menschlichkeit und Kultur: Weil Trenkers Protagonist, Johann August Sutter, seines Zeichens Drucker zu Ulm, illegal Flugblätter druckt und der Freiheit das Wort redet, wird dieser von den Behörden verfolgt und so bleibt Sutter nichts anderes übrig, die Flucht nach Amerika anzutreten, um dort seine Freiheit zu finden. Tatsächlich gelingt es Sutter in Kalifornien, ein glückliches Paradies an Ländereien und Weinbergen zu schaffen, in dem die Menschen frei leben. Doch auf dem Besitz Sutters wird Gold gefunden. Gierig durchwühlen die Menschen die Erde, das Verbrechen blüht und auf den Feldern verdorrt der Weizen.

Als Sutter die Banken beschwört, ihm angesichts der großen Verluste Überbrückungskredite zu gewähren, weigern die sich und stellen unmißverständlich klar, dass sie es vorzögen, anstatt in Landwirtschaft, in die Goldsuche zu investieren. Enttäuscht und zornig wirft Sutter, angesichts der Zerstörung seines Lebenswerkes, den Bankern vor, dass der Goldrausch vorübergehe, aber „seine Äcker und Wiesen zu allen Zeiten Segen brächten“ und er fügt hinzu: „Am Ende seid ihr genau solche Räuber und Banditen, wie die da unten am Sacramento, die meine Ländereien zerstören.“ Am Ende ist Trenkers Protagonist verarmt und fordert mit letzter Kraft auf den Stufen des Kapitols Recht und Gerechtigkeit.

Bild: Luis Trenker Archiv e.V. Kitzbühel
Aus diesem letzten Dialog des Films „Der Kaiser von Kalifornien“, der von den Nationalsozialisten ebenso wegzensiert wurde, wie später auch von den Amerikanern, blieb jedoch eine Dialogliste erhalten. In ihr wird Sutter von einem imaginären Geist beschworen: „Kämpfst du noch immer um dein Recht? Du kannst den Lauf der Dinge nicht aufhalten“. Mit einer großartigen Geste weist die Erscheinung auf den Glanz der Städte und die ewige Kraft der Maschine, auf Reichtum und Wohlstand. Dem setzt der sterbende Sutter auf den Stufen des Kapitols entgegen, dass „dies nicht seine Welt sei und er eine andere, bessere Welt gewollt habe“. Luis Trenkers „Kaiser von Kalifornien“ endet mit dem relativierenden Kompromiss des imaginären Geistes: „Recht oder Unrecht, wer kann’s wissen, sei du zufrieden, du hast der Welt in deinem Sinne gedient. Dein Herz wird in den Wäldern und Flüssen Kaliforniens weiter schlagen“. Der Autor dieses Dialogs, der Filmemacher Luis Trenker, dessen Mythos zwischen den Unerträglichkeiten der Systeme eines Jahrhunderts zerbrach, wird heutzutage von den Machern der ideologisierten Zivilgesellschaft angefeindet und als Opportunist zwischen den Systemen seines Jahrhunderts diffamiert. Fazit: es bleibt wohl in der Tat nichts anderes mehr übrig, als höhere Werte und hehre Ziele mit den Mitteln des Opportunismus in die Zukunft zu mogeln.